Das Last-Lust-Prinzip

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Von Holger Hartwig*

Jeder kennt die Situation: Es ist eine folgenschwere Entscheidung zu treffen. Soll ich das Angebot eines neuen Arbeitgebers annehmen? Macht es Sinn, den Aufwand für eine weitere Fortbildung zu betreiben? Ist es richtig, genau diese Immobilie zu kaufen? Ist es klug, in ein neues Auto zu investieren?

Diese und andere Fragen dieser Art sorgen dafür, dass in uns viele Stimmen „hochkommen“, die das jeweilige Thema aus den verschiedensten Blickwinkeln betrachten. Der Zweifler bzw. Bedenkenträger in uns stellt immer wieder alles in Frage, der Optimist liefert immer wieder neue Argumente, warum die Antwort nur ja heißen kann. Der Taktierer sucht beharrlich nach dem richtigen Zeitpunkt, wann eine Entscheidung getroffen werden soll. Der Leichtgläubige ruft immer wieder „Nun mach schon“. Es gibt viele dieser Stimmen, die wir durch unsere Erfahrungen im Laufe unseres Lebens in die Entscheidungsfindung einbringen. Das ist einerseits gut, weil jede Entscheidung bekanntlich gut überlegt sein soll. Andererseits ist es auch belastend, weil so manches Thema auch mit ins Bett genommen wird und fehlende Ruhe viel Kraft kostet.

Immer dann, wenn ein Entscheidungsprozess zu komplex wird, kann es helfen, dass „Last-Lust-Prinzip“ anzuwenden. Es funktioniert einfach: Sie nehmen ein Stück Papier und malen Sie darauf einen menschlichen Oberkörper und teilen diesen in zwei Hälften. In die eine Hälfte schreiben Sie nach und nach alle Aspekte auf, die für Sie bei dem Thema eine Freude sind, die Lust auf das Neue machen. In der anderen Hälfte schreiben Sie hingegen alles auf, was Sie an Last sehen, wenn Sie an das Thema denken. Nehmen wir mal als Beispiel die Entscheidung über die Teilnahme an einer einjährigen Fortbildung. Lust sind Aspekte wie Neugierde, neue berufliche und dann auch finanzielle Möglichkeiten, neue Menschen kennenlernen, neue Sichtweisen usw.. Auf der Last-Seite stehen hingegen der Zeitaufwand (weniger Zeit für Familie und Freunde), die Kosten, der Prüfungsdruck usw. Nehmen Sie sich ein Stunde Zeit, um die Lust und die Last zu Papier zu bringen.

Sobald Sie meinen, dass Sie alle Aspekte aufgeschrieben haben, überlegen, welche davon sie auch emotional – sprich auch mit dem Bauchgefühl – ansprechen. Was fühlt sich gut an, was sorgt für Magengrummeln? Das Gute versehen Sie mit einem Pluszeichen, sehr gutes mit drei Pluszeichen. Dann schauen Sie am Ende, wo die meisten Pluszeichen stehen und stellen sich vor, dass Sie sich – je nachdem, wo mehr Pluszeichen stehen – dafür entscheiden. Und noch einmal fühlen und hören Sie in sich hinein: Macht meine Entscheidung nun Lust (wenn ich ja sage) auf das was kommt bzw. nimmt sie mir die Last, weil ich mich dagegen entschieden habe? Die Antwort gibt Ihnen die Richtung vor.

Und wenn Sie immer noch unsicher sind, das Last-Lust-Prinzip nach einigen Tagen, in denen Sie ganz bewusst nicht über die Frage nachgedacht haben, wiederholen. Sie werden feststellen, dass ich der Trend des ersten Mals und auch ihr Bauchgefühl nicht verändern werden.

Der Autor ist Systemischer Coach, Kommunikationspsychologe (FH) und Heilpraktiker für Psychotherapie. Er coacht Menschen bei Herausforderungen, die das Leben privat oder beruflich mit sich bringt.

Holger HartwigDas Last-Lust-Prinzip