Es ist Januar 1992. Ich bin gerade seit sechs Wochen als Redakteur in Berlin bei einem der renommiertesten Medienhäuser Deutschlands, Gruner & Jahr, angestellt. An einem Donnerstag klingelt gegen 16 Uhr mein Telefon. Die Geschäftsführung aus Hamburg ist am anderen Ende. Frage von dort: „Herr Hartwig, können Sie bitte morgen um 10 Uhr in Rostock sein?“ Antwort: „Ja, kann ich. Was ist denn da?“ – „Das sage ich Ihnen morgen. Wir sehen uns morgen in Rostock.“ Ok, was mag das werden? In Rostock gibt G & J den „Warnow Kurier“, eine Wochenzeitung mit 150.000 Auflage, heraus. Ich habe ja gelernt, flexibel zu sein…
Die bittere Wahrheit: Die Kosten explodieren und die soziale Armut im Kreis Leer steigt rasant
Aufgeschnappt – 27. Juni 2021
So richtig „hochgekocht“ ist in den vergangenen Tagen die politische Gerüchteküche in der Stadt Leer. Worum es ging? Um die Kandidatenliste der CDU für die Stadtratswahlen im September. Auf der Liste, die vor der gestrigen Mitgliederversammlung kursierte, stand ein Kandidat, der erst wenige Tage zuvor in zweiter Instanz wegen des Besitzes von Kinderpornografie verurteilt worden sein sollte. Dieser Bewerber – so die Gerüchte – arbeite mit seiner beruflichen Expertise aus vielen Jahren Medienerfahrung und in der Unternehmenskommunikation für einen großen Konzern zudem seit Jahren als Arbeitnehmer für den hiesigen CDU-Landtagsabgeordneten Ulf Thiele und berate und unterstütze die Bürgermeisterin der Stadt Leer, Beatrix Kuhl. Das das für Diskussionen sorgt, ist verständlich.
Nach Wohnungsbrand: Das Ende des Wegsehens?
HINWEIS: Liebe Leserinnen und Leser, bevor Sie den nachfolgenden Text lesen, bitte ich Sie zu beachten: Ich bin befangen. Ich bin seit 25 Jahren Eigentümer eines Hauses schräg gegenüber des Gebäudes, um das es im den Text weitgehend geht, und wohne – mit Unterbrechungen – in der Straße. Zudem bin ich von 2001 bis 2005 als Vorstandsreferent des Bauverein Leer eG direkt mit Themen der (sozialen) Wohnungsversorgung in der Stadt Leer in vielfältiger Hinsicht in Kontakt gekommen. Holger Hartwig
Der Tod eines Menschen bei einem Wohnungsbrand im Leeraner Westerende hat in den vergangenen Tagen in Leer für viel Gesprächsstoff gesorgt. Die Bewohner des Hauses, die bei dem Brand unversehrt blieben, haben in einem offenen Brief massive Vorwürfe erhoben. Viele Fragen stellen sich:
Was sind die Hintergründe zu dem Haus im Westerende? Wieso leben in Leer Menschen in Häusern, die von der Nachbarschaft nur als „Chaoten-Haus“ bezeichnet werden und in einem meist sehr ungepflegten Zustand sind? Was wird für Wohnungen dieser Art an Miete gezahlt? Steckt ein System dahinter? Wie hat die Stadt Leer reagiert?
Die Fakten der Polizeimeldung: In der Nacht zum Dienstag (21.06.) hat es im Haus Westerende 31 in Leer um 3 Uhr gebrannt. Nach bisherigen Erkenntnissen brach der Brand im rückwärtigen Gebäudebereich im Erdgeschoß aus und griff dann später auf andere Wohneinheiten über. Die Einsatzkräfte der Polizei konnten acht Bewohner aus verschiedenen Wohneinheiten antreffen. Da nicht geklärt war, ob Personen noch im Gebäude verblieben waren, wurde seitens der Feuerwehr eine Personensuche in der zuerst brandbetroffenen Wohnung durchgeführt, in deren Verlauf der 54-jährige Bewohner aufgefunden und geborgen wurde. Trotz umgehender Reanimationsmaßnahmen des Rettungsdienstes verstarb der Mann noch an der Einsatzörtlichkeit. Die Polizei hat die Ermittlungen aufgenommen und eine Aufnahme vor Ort durchgeführt. Die weiteren Ermittlungen und folgenden Spurensuchen werden durch Kräfte des Kriminalermittlungsdienstes durchgeführt und dauern an.“
Die Brandursache: Offiziell sagt die Polizei Leer derzeit noch nichts. Informationen sind für die kommenden Woche angekündigt. Die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen. Bei den Recherchen verdichteten sich die Hinweise, dass Brandbeschleuniger eingesetzt wurden und es in den Stunden vor dem Brand zu Diskussionen zwischen dem Mieter der Wohnung und anderen gekommen ist.
Der Tote: Bei dem Brand ist Günther H. ums Leben gekommen. Er hatte zum Zeitpunkt des Unglücks nach Darstellung der Mitbewohner an den Folgen einer Kopfverletzung zu leiden und wurde – wie es die Bewohner schildern – bei dem Brand in der Badewanne mit einem Tuch über dem Kopf gefunden.
Die ausgebrannte Wohnung: Nach Darstellung der Bewohner des Hauses wurde sie durch den Bewohner immer durch ein Fenster betreten, weil sich die Tür nicht habe öffnen lassen (der Mieter hatte wohl den Schlüssel verloren). Ein Fenster der Wohnung war seit Wochen mit einem Brett zugenagelt, so dass der Zutritt durch das eine verbliebene Fenster erfolgte.
Die Mietverträge: Mit elf Mietparteien – acht im EG, drei im OG – sind offenbar Verträge auf Basis des „Wohnungs-Einheitsmietvertrages“ geschlossen. Aus einem geht hervor, dass beispielsweise eine Wohnung mit insgesamt 30 Quadratmetern (1 Zimmer, 1 Küche, 1 Korridor und Bodenraum) vermietet wurde. Die Größe der Wohnung, die im Vertrag steht, entspricht jedoch nicht der tatsächlichen Wohnungsgröße. Überprüft hat das laut Aussage von Mieter nie jemand von der zuständigen Behörde, die die Mietkosten trägt. Der Preis für diese Wohnung inklusive der Kosten für Wasser, sonstige Abgaben und Heizung: knapp über 320 Euro monatlich. An besonderen Festlegungen steht darin: „Der Mieter ist verpflichtet, vor dem Haus zu fegen und im Winter zu fegen und zu streuen. Das Unkraut auf dem Weg ist regelmäßig zu beseitigen.“ Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich um einen Mieterkreis handelt, der sein Leben als solches nur schwer geregelt bekommt. Die Realität: Natürlich wächst das Unkraut in die Höhe und Winterdienst wird nicht gemacht. Eine Kontrolle, ob der Winterdienst jemals gemacht wurde, wird seitens der Behörden nicht vorgenommen. Der für die Wohnungen im Westerende bestehende Mietvertrag ist kein Einzelfall. Bei den Wohnungen, die von der Kommune für diesen „Kundenkreis“ bezahlt werden, wird – so ein Insider – nicht so genau hingesehen, „denn wir sind ja froh, dass wir für diese Menschen überhaupt eine Bleibe finden.“
Die Vermieter: Der Vermieter des Hauses Westerende kennt sich bestens aus. In den 1990er Jahren war er Samtgemeindedirektor einer Kommune im Kreis Leer. Aus dieser Zeit ist ihm bestens bekannt, wie man mit einer Immobilie und der Vermietung an Sozialschwache gut zurecht kommt. Auch er ist kein Einzelfall. So wie in Leer haben sich landauf landab Eigentümer darauf spezialisiert, aus ihren Immobilien, die in einem entsprechend baulichen Zustand, das Maximale an Mieteinnahmen herauszuholen. Wirtschaftlich lassen sich mit diesen Objekten – so gab ein Eigentümer einer anderen Immobilie offen zu – „ganz gut große Brötchen backen.“ Geprüft werden die Umstände in den Objekten nur selten, denn – Zitat aus einer zuständigen Behörde – „Wir sind ja froh, dass wir eine Bleibe gefunden haben, denn in einem Mehrparteienhaus, in dem auch andere Familien leben, will die ja keiner haben“.
Die zuständigen Behörden: Für das Haus Westerende 31 gilt – wie auch bei anderen Objekten und in anderen Kommunen, wie Hintergrundgespräche anderenorts zeigten – seit Jahren das Motto „Solange nichts passiert, lieber wegschauen“. Vor 20 Jahren hat der Autor dieser Zeilen erstmals bei der Leeraner Stadtverwaltung angefragt und darum gebeten, dass die Unterkünfte und vor allem deren Wohnqualität regelmäßig angesehen werden. Und was war die inoffizielle Antwort: „Wir wissen das wohl. Aber was sollen wir denn da machen. Wir sind doch froh, dass wir für diese Menschen überhaupt eine Wohnung gefunden haben. Wo sollen wir die denn sonst unterbringen?“ Auf den Nachsatz, dass die Mieten für die Wohnungen wohl angesichts von Größe und Ausstattung deutlich zu hoch seien, hieß es: „Das ist bekannt. Die Kosten werden aber übernommen.“ Und es sei durchaus bekannt, dass das ein lukratives Geschäftsmodell sei. Auch in anderen Fällen während der Zeit bei der Wohnungsgenossenschaft war es ähnlich, das weggeschaut wurde, so lange es geht und so lange nichts passiert. So meldete sich ein älteres Ehepaar – es hätten die Großeltern sein können –, dass der vierjährige Junge aus der Nachbarwohnung immer wieder nachts zwischen 2 und 4 Uhr bei ihnen heulend vor der Tür sitze bzw. klingele. „Mama ist nicht nach Hause kommen“, „Mama reagiert nicht“, habe er ihnen gesagt. Die Mutter hatte ein Suchtproblem und vieles mehr. Auch hier war es nicht so, dass den zuständigen Mitarbeitern der Behörden ein Vorwurf gemacht werden sollte: Sie haben vieles versucht, um dem kleinen Jungen zu helfen. Aber auch hier hörte ich viele Monate „solange nichts passiert“. Irgendwann war das Maß dann voll und der kleine Junge konnte – was zu bedauern ist – in eine Pflegefamilie. Auf weitere Beispiele verzichte ich an dieser Stelle.
Der offene Brief: Am Donnerstag wandten sich die Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses an die Medien und die Behörden und informierten die Nachbarn über ihren Schritt. Der offene Brief hat den Titel „Das war ein Verbrechen – ein Mensch ist gestorben!“ (lesen Sie hier den offener Brief der Bewohner im Original-Wortlaut). Darin haben sie massive Vorwürfe gegen die Einsatzkräfte („gewaltsamer Umgang mit den Bewohnern“; „es wurde über die Bewohner rumgeflachst“; „ganz gemütlich wurde der Löschschlauch über die Straße spaziert“) geäußert und schreiben davon, dass es sich „bei den Bewohnern nicht um irgendwelche Monster handelt, sondern man könnte eher von gescheiterten Existenzen sprechen“. Die Bewohner kritisieren auch den Vermieter massiv. Zitat: „Der Vermieter/Eigentümer kassiert ab und nutzt das soziale System, um sich auf Kosten anderer zu bereichern“. Fluchtwege im Haus seien versperrt, da kaputte Fenster nicht ordnungsgemäß ausgetauscht, sondern mit Schrauben festgeschraubt worden seien. Sie schreiben weiter, dass sie „fair behandelt werden und nicht noch diffamiert werden wollen, während die eigene Existenz in Gefahr ist.“ Es müsse adäquater Wohnraum gestellt werden, so das Fazit.
Die Reaktion auf den offenen Brief: Am Freitag – also bereits am nächsten Tag – waren die Bürgermeisterin der Stadt Leer, Beatrix Kuhl, Vertreter des Bauamts, des Ordnungsamtes, der Rettungskräfte und der Polizei gemeinsam mit dem Vermieter des Hauses Westerende vor Ort. Kuhl sagte auf Anfrage: „Wir haben uns vor Ort ein Bild gemacht wegen der Vorwürfe der Baufälligkeit des Gebäudes und den Brandfolgen gemacht.“ Im Ergebnis habe das städtische Bauamt die Nutzung von drei Wohnungen wegen der Brandfolgen untersagt und die Bewohner würden Ersatzwohnungen erhalten. Ansonsten sei keine Baufälligkeit festgestellt worden. Kuhl machte deutlich, dass es aber auch so sei, dass die Bewohner ihrerseits sowohl in der Brandnacht als auch am Freitag in ihren Wohnungen verbleiben wollten. Sie erklärte, dass sie, sobald sie von Problemen bei Wohnungen höre, die von der Stadt Leer bezahlt werden, „sofort reagiert“. Das, so sagte sie, gelte auch für ihre Mitarbeiter. „Wenn etwas nicht in Ordnung ist, dann muss es abgestellt werden“, so Kuhl. Regelmäßige Kontrollen sollten dann erfolgen. „Wir gehen da klare Kante“, so Kuhl. Bei dem Termin vor Ort sei deutlich geworden, „dass sich der Vermieter durchaus um das Objekt kümmert“. Es sei angekündigt, dass ab Montag Handwerker in dem Haus tätig werden.
Die Situation in der Stadt Leer: Offiziell sagt es niemand, aber es gibt im gesamten Stadtgebiet Leer – wie auch in den meisten Nachbarstädten – vielfach „Schrottimmobilien“, die mit schwierigen Mietern durch die Behörden „belegt“ werden. Dabei sind es oft dieselben Vermieter, die es verstehen, mit ihrem „Konzept“ der Vermietung an die kritischen „Mieterkreise“ gutes Geld zu verdienen. Für die Behörden sind diese Vermieter oft ein „Problemlöser“, da sie für Menschen Unterkünfte bieten, die ansonsten in keiner Nachbarschaft oder in einem Mehrfamilienhaus dauerhaft wohnfähig werden. Insofern wird dann auch gerne „über die tatsächlichen Verhältnisse vor Ort“ hinweggesehen.
Fazit: Bürgermeisterin Kuhl hat nach den Vorkommnissen in den vergangenen Tagen zugesagt, dass für sie und ihre Mitarbeitenden ein „Wegsehen“ nicht in Frage kommt. Was das Hinsehen vor Ort (und sicherlich auch in die Verträge) bedeutet, wird sich in den kommenden Wochen und Monaten zeigen. HH
Dechant Dr. Robben verlässt katholische Gemeinden im Kreis Leer
Unterwegs mit Sven Dirksen, FDP-Kandidat für das Bürgermeisteramt in Leer
„Der Sonntagsspaziergang“ – heute mit Sven Dirksen. Der FDP-Kandidat für das Bürgermeisteramt in Leer nimmt die Zuhörer mit in das Quartier rund um den Bahnhof in Leer. Der gebürtige Leeraner, der sich bereits 2014 für den Bürgermeistersessel im Rathaus beworben hat, erklärt, warum dieses Quartier für ihn wichtig spannend ist, spricht über seine Motivation, sich ehrenamtlich zu engagieren, seine politischen Ziele („Ich will mitgestalten“) und den anstehenden Wahlkampf („Konkurrenz belebt das Geschäft, gut, dass die Leeraner eine Auswahl haben“). Zudem begründet er, warum er seit vielen Jahren für den Umbau der Kreuzung am Bummert ist, der in wenigen Tagen startet. Klickt Euch rein…
Weitere Informationen:
www.fdp-kreis-leer.de
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Das Sesamstraßen-Prinzip
Von Holger Hartwig*
„Der, die, das. Wer, wie, was. Wieso, weshalb, warum. Wer nicht fragt, bleibt dumm! 1000 tolle Sachen gibt es überall zu sehen, manchmal muss man fragen, um sie zu verstehen“ – diese Zeile aus dem Sesamstraßen-Lied dürfte jeder kennen. Und für jedes Kind ist es selbstverständlich, aus Neugierde Fragen zu stellen.
Je älter und erfahrener ein Mensch wird, um so weniger ist es für ihn selbstverständlich, Fragen zu stellen. „Man“ weiß schließlich Bescheid. Und noch viel heftiger: „Man“ kennt sich ja – „man“ hat ja seine Erfahrungen im Miteinander gemacht. Und genau dieses Denken ist für das menschliche Zusammenleben, im Job oder in der Freizeit gestalten sehr oft der Auftakt für einen Teufelskreis. Denn anstatt den anderen zu fragen, was er warum gerade wie macht oder eben auch nicht oder statt den anderen zu fragen, was er mit seiner Aussage wirklich sagen wollte, wird ein (oft unbewusster) Prozess im eigenen Kopf in Gang gesetzt. Es wird zwischen den beiden „Ohren“ philosophiert, es wird bewertet, verurteilt und dann auch meistens entsprechend reagiert. Das Sesamstraßenlied bringt es dann auf den Punkt: Wer nicht fragt, bleibt dumm! Nein, im Erwachsenenalter ist es sogar noch schlimmer: Wer nicht bzw. nie fragt, sondern sich mit seinen Gedanken verselbstständigt und die anderen Menschen bewertet, der „zerlegt“ auf Dauer im großen Stil seine zwischenmenschlichen Beziehungen.
Fragen zu stellen, sollte in jedem Lebensalter dazugehören wie das Zähneputzen oder das Haare waschen. Warum? Nur wer fragt, der gewinnt neue Erkenntnisse. Wer nicht fragt und stattdessen in einem Gespräch immer selbst redet, der wird nicht schlauer. Denn alles, was aus dem eigenen Mund herauskommt, ist ja – vereinfach ausgedrückt – bereits an Wissen und Gedanken im Kopf vorhanden.
Kurzum: Achten Sie einmal darauf, wie oft Sie im Alltag Sie eine Frage stellen. Sie werden überrascht sein, wie selten Sie die Macht des kinderleichten Sesamstraßen-Prinzips im Miteinander nutzen. Und noch eines: Es kommt bei einer Frage nicht so sehr auf die gewählten Worte und den Satzbau an. Achten Sie einmal darauf, WIE Ihnen eine Frage gestellt wird bzw. WIE Sie selbst eine Frage stellen. Wenn die Stimme des Fragenden oder Ihre Stimme am Satzende nach unten geht, dann mag das zwar grammatikalisch eine Frage sein, de facto ist und bleibt es dennoch eine Aussage. Wer wirklich eine Frage stellt und interessiert an einer Antwort ist, hebt seine Stimme zum Ende hin. Sonst nimmt das Unterbewusstsein auf, dass es eben keine Frage ist sondern eine „gut gemeinte und perfekt getarnte“ Feststellung ist.
PS: Wann wir das Fragen, wie wir es als Kind aus Neugier gemacht haben, „verlernen“? Mein Tipp: Kurioserweise vor allem in der Schule. Zwar ist es (eigentlich) gewünscht, dass dort Fragen gestellt werden. Allerdings werden die Kinder, die regelmäßig Fragen stellen, oftmals hinsichtlich ihrer Verständnisfähigkeiten eher „in Frage gestellt“ als für ihr Interesse gelobt…
* Der Autor ist Systemischer Coach, Kommunikationspsychologe (FH) und Heilpraktiker für Psychotherapie. Er coacht Menschen bei Herausforderungen, die das Leben privat oder beruflich mit sich bringt.
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Von der Pupstation
In über 35 Jahren als schreibender Zeitgenosse geht so einiges schief – und wie gut, dass es den Kollegen „Druckfehlerteufel“ gibt. Die Male, die er für meine Fehler „herhalten“ musste, sind ungezählt. Nicht selten hatten die Fehler auch einen gewissen Charme. Gut, wenn der Autor aus einer Frau Kromminga in einem seiner ersten größeren Berichte konsequent eine Frau Kramer macht (weil es eine gleichnamige Klassenkameradin mit gleichem Vornamen gab), dann war es Glück, dass dieser „Stockfehler“ wohl nie der Redaktion, für die ich arbeitete, zu Ohren gekommen ist. Immerhin habe ich daraus gelernt und meinen vielen späteren Azubis immer eingetrichtert: Namen und Zahlen müssen immer stimmen. Das ist das Mindeste. Der Rest ist eh freie Interpretation des Autors..
Verstehen oder begreifen?
Von Holger Hartwig*
Macht es einen Unterschied, etwas verstanden oder begriffen zu haben? Auf den ersten Blick sicher nicht… Nicht ohne Grund sagen wir dennoch: „Ich verstehe jedes einzelne Wort, aber ich begreife nicht, was Du mir damit sagen willst.“
Etwas zu ‚verstehen‘ bedeutet also, die Aussage eines anderen vom Verstand her aufzunehmen. Etwas zu „begreifen“, ermöglicht hingegen den praktischen Umgang mit einem Thema oder einer Sache. Alles klar? Zur Verdeutlichung ein einfaches Beispiel: Versuchen Sie einmal, einem Kind mit einem iPad einen Ball zu erklären. Es wird verstehen, dass es sich um etwas Rundes handelt, dass man durch die Luft werfen oder schießen kann. Um zu begreifen, was ein Ball ist, wird es unumgänglich sein, einen richtigen Ball zu besorgen und dem Kind den Ball zu zu werfen. Dann wird es den Ball GREIFEN und BEGREIFEN und vor allem fest verinnerlichen, was ein Ball ist. Es wird lernen, wie man nach einem Ball greift – und verstehen, warum es praktisch ist, dass ein Ball rund ist
Für unseren Umgang mit Informationen und Worten hat das Begreifen einen weiteren Aspekt. Etwas zu verstehen, ist oft auch nur der Aspekt, ob eine Nachricht akustisch bei dem anderen angekommen ist. „Hast Du mich verstanden?“ ist beispielsweise oft nur die Nachfrage, ob der andere zugehört hat… manchmal auch die Drohung. Je nachdem, in welchem Ton und mit welcher Mimik die Wörter gesagt werden.
Wie kann ich selbst dafür sorgen, dass ich etwas nicht nur verstehe, sondern begreife? Hilfreich ist, sich immer die Frage zu stellen, ob es möglich ist, das Wort mit einer Tat zu verknüpfen, sozusagen eine zweite Ebene des Wahrnehmens zu schaffen. Wenn es beispielsweise um Wissen und Erfahrungen oder Situationen im Leben geht, denn nehmen Sie einen Stift zur Hand und schreiben Ihre Gedanken auf Papier auf. Ihre Gedanken werden dann für Sie und Ihren Körper spürbar. Sie werden feststellen, dass sich Ihre Gedanken verfestigen oder auch ordnen.
Dazu noch ein letzter Gedanken. Kennen Sie das Sprichwort „Wer nicht hören will, muss fühlen?“ Sicherlich. Auch hier geht es darum, die Worte mit einer zweiten Ebene zu versehen, die „durch den Körper geht“. Kinder verzichten auf diese zweiten Ebene lieber, wenn es mit den Eltern mal rauscht. Für Erwachsene hingegen ist es hilfreich, in vielen Situationen zu schauen, wie sie etwas Gesagtes oder Gedachtes für sich „fühlbar“ machen können
* Der Autor ist Systemischer Coach, Kommunikationspsychologe (FH) und Heilpraktiker für Psychotherapie. Er coacht Menschen bei Herausforderungen, die das Leben privat oder beruflich mit sich bringt.
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