Die störenden Kühe

Die störenden Kühe

Es ist die Zeit, in der Kameras noch Filmrollen für Schwarz-Weiß-Bilder haben. Das bedeutet: Bevor der Film nicht entwickelt ist, weiß der Fotograf nicht, ob seine Motive auch etwas geworden sind. Vor allem in der Sportfotografie ist das ein gravierender Nachteil. Einen Moment zu spät abgedrückt – und der Ball ist nicht im Bild. Das Objektiv etwas unscharf eingestellt – und die Szene, die durch die Linse erst so toll aussieht, ist später als Abzug und für den Abdruck in der Zeitung nicht zu gebrauchen.

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Aufgeschnappt – 11. April 2021

Aufgeschnappt – 11. April 2021

Von besonderen Abi-Slogans

Es hat Tradition, dass sich die Abitur-Jahrgänge an den hiesigen Schule einen Slogan für ihre Aktivitäten zum Abschluss der Schulzeit einfallen lassen. Abi-Streiche, Mottowoche, „Abi-Urlaub“ (gemeinsame Reise), Abizelten und große Abschlussfeiern wird es dieses Jahr wegen Corona nicht geben. Also was kann dann a ein passender Slogan sein? Die Abiturienten der BBS in Papenburg haben es mit viel Humor auf den Punkt gebracht. „Die Schule war öfter dicht als wir…“, so ihr Slogan.  Immerhin wird sie wohl geöffnet sein, damit die Abschlussprüfungen stattfinden können. Aber das ist wohl genau die Veranstaltung, auf die viele Schüler wohl am liebste am ehesten hätten verzichten können…

Holger HartwigAufgeschnappt – 11. April 2021
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Die kleinen Feuerwehren und ihre Millionen-Neubauten

Die kleinen Feuerwehren und ihre Millionen-Neubauten

Der kleine Leeraner Ortsteil Nüttermoor bekommt in den nächsten Jahren gleich zwei neue Feuerwehrgebäude. Insgesamt werden für die beiden Objekte 28,2 Millionen Euro investiert. Warum es zwei Gebäude sein müssen und warum allein die Ortsfeuerwehr Nüttermoor mit ihren heute 32 aktiven Kameraden einen Neubau für 2,2 Millionen Euro bekommen soll  – dafür gibt es nach Darstellung der Stadt Leer viele Gründe. Die rechtlichen Gründe sind es, die auch in nahezu allen anderen Kommunen des Kreises in den nächsten Jahren Millionensummen für neue Feuerwehrgebäude „verschlingen“ werden.

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Unterwegs mit Dechant Dr. Andreas Robben, Dekanat Ostfriesland

Unterwegs mit Dechant Dr. Andreas Robben, Dekanat Ostfriesland

Auf die Bohrinsel im Rheiderland am Dollart führt heute „Der Sonntagsspaziergang“. Gesprächspartner ist am Ostersonntag Dr. Andreas Robben, Dechant des Dekanats Ostfriesland und Pastor der Pfarreigemeinschaft MoWeLe (Gemeinden St. Joseph (Weener), Mariä- Himmelfahrt (Moormerland) sowie Seliger Hermann Lange (Leer mit St. Michael und St. Marien).

Der 50-Jährige gebürtige Emsländer lebt seit 13 Jahren in Leer und zeigt sich im Sonntagsspaziergang als ein Mann klarer Worte. Beispiele gefällig? Zum Zölibat sagt er: „Wer diese Lebensform für sich bewusst und persönlich wählt, sollte das tun.“ Oder zum Thema Missbrauch: „Das ist ganz fürchterlich. Für die Betroffen tut es mir unendlich leid, aber Mitleid allein hilft nicht. Das Thema sollte wenigstens transparent aufgeklärt werden wie jetzt – leider zu spät.“ Weitere Themen des Gespräches sind die Herausforderungen in der Pandemie-Zeit, Kirchenaustritte und – passend zu heutigen Tag: Ostern.

Hören Sie sich rein. Viel Freude beim Zuhören.

Foto: privat

Andreas Robben
Holger HartwigUnterwegs mit Dechant Dr. Andreas Robben, Dekanat Ostfriesland
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Aufgeschnappt. – 4. April 2021

Aufgeschnappt. – 4. April 2021

Von Sätzen mit einem X

Sage mir ein einen Satz mit x? Das wahr wohl nix… So lässt sich zusammenfassen, was die gestrige Entscheidung der Landesregierung zu den Corona-Modellkommunen betrifft. In Leer hatten viele Kaufleute, Gastronomen etc. darauf gehofft, dass die Kreisstadt in Hannover als eine von 25 Modellkommune ausgewählt wird, in denentrotz hoher Corona-Zahlen  Öffnungen erfolgen sollen. Es bleibt bei der Hoffnung. Stattdessen dürfen sich Emden, Norden und Aurich freuen. Sie gehören zu den glücklichen 14. Ob bei der Ablehnung Leers der Umstand, dass die Bewerbung aufgrund von zusammengebrochenen Daten- und Telefonleitungen eine halbe Stunde nach Bewerbungsschluss eingegangen ist, ein Aspekt war – nichts genaues weiß man. Bis kurz vor Toreschluss war wohl auch nicht klar, ob eine der Voraussetzungen für den Antrag, ein Testzentrum, erfüllt werden kann, weil ein Ja aus dem Kreishaus noch fehlte. Offenbar ist der kurze Draht zwischen Rathaus und Kreishaus ebenfalls „gestört“ wie die Datenleitung – das aber wohl schon etwas länger, wie es rund um die Behörden heißt (sagt nur keiner öffentlich). Einfach schade. Am Ende zählt das Ergebnis. Nun kann die Stadtverwaltung als Antragssteller darauf hoffen, dass die Ledastadt zu einer der Kommunen gehört, die in der zweite Phase berücksichtigt werden. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Holger HartwigAufgeschnappt. – 4. April 2021
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Der Kreislauf der Blinden

Der Kreislauf der Blinden

Von Holger Hartwig*

Kennen Sie den Gedanken „Wie kann man nur so blind sein…?“ Sie sollten sich immer gut überlegen, ob Sie diesen Satz wirklich aussprechen. Denn Sie könnten es mit einem Kreislauf der Blinden zu tun haben – und dann, ja dann hat dieser ausgesprochene Satz die Lizenz für Ärger und Stress…

Was hat es mit dem Kreislauf der Blinden auf sich? Stellen Sie sich einmal vor, Sie arbeiten in einer Firma als Führungskraft. Sie haben einen jungen, hochmotivierten Chef. Wir nennen ihn mal Paul. Paul legt – zumindest auf den ersten Blick betrachtet – viel Wert auf einen Führungsstil, bei dem die Mitarbeitenden mit einbezogen werden.

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Das Problem mit der Ökumene

Das Problem mit der Ökumene

Es gibt kaum ein Thema, über das ein Redakteur im Laufe seines Journalistenleben nicht schreibt. Manchmal gehört auch ein kleiner „Etikettenschwindel“ dazu. Beispiel gefällig? Beim „Wolgaster Anzeiger“ hatten wir in der neu gegründeten Zeitung jeden Sonnabend auch das „Wort zum Sonntag“ im Blatt. Jede Woche schrieb auf Seite 2 ein evangelischer oder katholischer Geistlicher einen Beitrag zum Miteinander oder zu einem Bibeltext.

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Der „Club der 21“ und seine EWE-Millionen

Der „Club der 21“ und seine EWE-Millionen

In Corona-Zeiten sind die Beteiligungen des Staates bei der Lufthansa etc. in den Fokus geraten. Unter dem Radar laufen aus Tradition die Beteiligungen, die Kommunen der Region haben. Dort „schlummern“ teilweise millionenschwere Werte. Werte, die in den Eröffnungsbilanzen, Haushalten und Jahresabschlüssen unter Marktwerten auftauchen. Das beste Beispiel: Die Beteiligungen vom „Club der 21“ an der EWE AG (Oldenburg). Im Gegenzug können Kommunen wie die Stadt Leer aufgrund ihrer angespannten Haushaltslage keine freiwilligen Leistungen, z.B. an Vereine für dringend notwendige Investitionen, zahlen. Eine Hintergrundbetrachtung.

Die Ausgangslage

Es ist einige Jahre her, da antwortete ein Landrat im Hintergrundgespräch auf die Frage nach der Haushaltslage und nach dem Wertansatz der Beteiligungen an zwei Energiekonzernen in der Bilanz seines Kreises: „Diese Beteiligung haben wir nur mit dem Nennwert in unsere Bilanz aufgenommen. Würden wir die tatsächlichen Werte dieser Aktienbeteiligungen nehmen, dann wären wir nicht nur schuldenfrei, sondern hätten einen erheblichen Kapitalstock.“ Auf die Nachfrage, warum denn ein so positiver Fakt nicht dargestellt werde, kam sinngemäß: „Als Kreis profitieren wir – wie alle anderen Kommunen –, dass viele Investitionen und Projekte mit Fördergeldern aus Brüssel, Berlin und Hannover unterstützt werden. Wie das aussieht, wenn wir volle Kassen hier haben, ist natürlich nur eine Spekulation.“ Soweit so gut.

Richten wir also den Blick auf die Struktur der EWE AG in Oldenburg. Aktuell gehören 26 Prozent der Aktien Ardian, einem französische Finanzinvestor, der die ehemaligen Anteile der EnBW Energie Baden-Württemberg (sie war 2009 eingestiegen in die EWE AG) im Dezember 2019 (Rechtskraft im Februar 2020) übernommen hat. Für diese Anteile zahlten die Franzosen nach Meinung von Branchenexperten zwischen 1,2 bis 1,4 Milliarden Euro. Offiziell wurde diese Summe nie bestätigt, anhand des Jahresumsatzes von 5,7 Milliarden Euro in 2019 und einem Konzernergebnis von 167 Millionen Euro ist nicht unwahrscheinlich.

Nun fragen Sie sich: Wem gehören denn die restlichen 74 Prozent der EWE AG? Und da kommen die Kommunen aus der Region ins Spiel. 21 haben sich im Ems-Weser-Elbe Versorgungs- und Entsorgungsverband (EWE-Verband) zusammengeschlossen, die wiederum über die EEW-Holding und WEE (Energiebeteiligung Weser-Ems GmbH) die Anteile an der EWE halten.

Hier der Vollständigkeit halber die Zusammenstellung der beteiligten Kommunen mit ihren Anteilen. Der „Club der 21“ setzt sich zusammen aus Stadt Oldenburg 11,51 %, Landkreis Friesland 10,61 %, Landkreis Cloppenburg 10,26 %, Landkreis Wesermarsch 9,84 %, Stadt Delmenhorst 8,64 %, Landkreis Vechta 6,53 %, Landkreis Emsland 5,18%, Landkreis Oldenburg 5,06 %, Landkreis Ammerland 4,85 %, Stadt Leer 4,02 %, Landkreis Harburg 3,59 %, Landkreis Stade 2,90 %, Landkreis Aurich 2,85 %, Landkreis Rotenburg 2,74 %, Landkreis Cuxhaven 2,59 %, Landkreis Verden 2,02 , Landkreis Osterholz 1,73 %, Landkreis Leer 1,67 %, Stadt Cuxhaven 1,28 %, Landkreis Heidekreis 1,25 % und Landkreis Wittmund 0,88 %.

Nun ist es eine einfache Dreisatzrechnung, die nötig ist, um den möglichen Wert, den die jeweiligen Anteile bei einem Verkauf haben könnten, zu berechnen. Nehmen wir als Beispiel die Stadt Leer: Sie hat 4,02 Prozent an dem Verband und damit dann 2,9748 Prozent an der EWE AG. Was ist also der Wert der Aktien, wenn man – und das ist keine Utopie, weil Energiekonzerne als sicheres Investment gelten – dafür den Wert ansetzt, den Finanzinvestor Adrian für die 26 Prozent gezahlt hat?

Mathematisch kommen dabei 137.298.462 Euro – also etwa 137 Millionen Euro heraus. In der Eröffnungsbilanz der Stadt ist er angegeben mit einem Wert von 13 Mio. Euro. Die Stadt hat zurzeit nach dem aktuellen Zahlenwerk etwa einen Schuldenberg von 55,19 Mio. Euro Ende 2020. Die Verschuldung des Konzerns Stadt Leer wird in Kürze die Schallmauer von 100 Mio. Euro überschreiten, wie die Stadtverwaltung auf Anfrage mitteilt.

Was bedeuten diese Anteile und wie sind sie politisch begründet?

Dazu ein Zitat von der Seite des EWE-Verbandes, der den Kommunen ja gehört: „Kernaufgabe des EWE-Verbandes ist es, das Gebiet der Verbandsmitglieder im Interesse des Gemeinwohls sicher, preisgünstig, umwelt- und ressourcenschonend mit elektrischer Energie, Gas und Wärme zu versorgen und alle dafür geeigneten Handlungen und Rechtsgeschäfte vorzunehmen. Hierbei handelt es sich um typische, die Daseinsvorsorge betreffende Aufgaben, die originär den kommunalen Gebietskörperschaften obliegen, vom Verband aber für seine Mitgliedskommunen übernommen werden. (…).“

Daseinsvorsorge ist das Stichwort. Also sicher, preisgünstig, umweltschonend die Versorgung mit Energie, Gas und Wärme zu gewährleisten – das ist das Ziel, das den „Club der 21“ motiviert.

Bedarf es für diese Daseinsvorsorge noch einer kommunalen Beteiligung und wenn ja warum? Oder sind die Begründungen und Regelungen ein Relikt aus der Zeit vor der Öffnung und Liberalisierung zunächst des Telekommunikationsmarktes Ende der 1980er und des Strommarktes Ende der 1990er Jahre? Bis dahin war bekanntlich alles in staatlicher Hand.

Darüber könnte man nun stundenlang streiten. Streiten, ob das noch zeitgemäß ist. Streiten, ob die EWE seit der Liberalisierung noch ein besonderes Unternehmen mit besonderer Verantwortung für die Region ist. Oder ob die EWE heute nicht vielmehr nichts anderes als eine „normale“ Kapitalanlage ist, so wie es der französische Finanzinvestor sehen dürfte? Denn der würde sich bestimmt nicht in ein Unternehmen einkaufen, dass ja aufgrund der Mehrheitsbeteiligungen der Kommunen kein „normales“ Unternehmen wäre und nicht als Firma frei und wirtschaftlich agiert. Und nebenbei bemerkt: Was das formulierte Ziel der preisgünstigen Versorgung betrifft: Die Liberalisierung hat vieles verändert. Der Umstand, dass Haushalte der Region in den vergangenen Jahren zu anderen Anbietern wechseln (weil preiswerter), spricht eine deutliche Sprache. Sei´s drum.

Die Kommunen und der Geldzufluss

Blicken wir also zurück auf die wirtschaftliche Bedeutung der Anteile. Sie sorgen dafür, dass jedes Jahr viele Millionen Euro in die Haushalte der Kommunen fließen. Jahrelang wurden 88 Mio. Euro an die Beteiligten ausgeschüttet, 2019 waren es auf Initiative des Finanzinvestors 148 Mio. Euro. Für die Stadt Leer – sie steht beispielhaft für die 20 weiteren Kommunen würde dieses einen Zufluss von mathematisch 4,4 Mio. Euro bedeuten (allerdings ist es de facto weniger, da die EWE-Verbandsversammlung über die Höhe der Ausschüttung entscheidet – zuletzt wurden zwischen 2,2 und 3,6 Mio. Euro im Haushalt als Einnahme veranschlagt).

Selbst mit diesem Zuschuss – nun gut, Jahresabschlüsse und damit bestätigte Finanzdaten gibt es ja seit vielen Jahre nicht mehr (siehe Beitrag am vergangenen Sonntag) – wird die Stadt ein laufendes Minus haben. Nicht auszudenken, wenn da die EWE-Millionen nicht mehr kommen. Dann wird es ja noch „zappendusterer“, wenn es um die Entwicklung der Stadt geht. Kommt von der EWE weniger, steigt auch noch einmal die Höhe notwendiger Liquiditätskredite (aktuell maximal nach Haushaltsplanung 15 Mio. Euro). Sie sind – wie es die Stadt schreibt – „wichtige Deckungsmittel“. Ohne sie würde sich „der Gestaltungsspielraum weiter einengen“. Eine steigende Dynamik der Verschuldung wäre, so heißt es, zu erwarten.

Die Sache mit dem Tafelsilber

Bei allem, was nun kommt, wird es gleich wieder heißen: Da will doch wohl jemand nicht das Tafelsilber verkaufen… Nein, es ist allerdings eine Betrachtung wert, wie es in der Realität – nicht nur in der Stadt Leer – aussieht. Die Politik muss sparen. In Leer wird seit 2016 bis heute die Erschließung neuer Gewerbeflächen an der Autobahn abgelehnt, weil das 1,2 Mio. Euro kostet. Fördergelder beispielsweise für Investitionen durch Sportvereine können – mit Begründung der Haushaltslage – derzeit nicht bereitgestellt werden. Weitere Beispiele auch in anderen Kommunen gibt es genug. Parallel dazu liegt viel Kapital in Form von Anteilen bei einem Energieunternehmen brach. Kapital, dass nirgends in der tatsächlichen Höhe „auftaucht“.

Vielleicht ist es Zeit, dass Politik und Verwaltungen aus bestehendenDenkmustern ausbrechen. Vielleicht ist es Zeit, ganz offen zu diskutieren, ob eine EWE als kommunal mehrheitlich betriebenes Unternehmen noch erforderlich ist – anders als vor vielen Jahrzehnten, als es gemeinsam darum ging, Netze als noch reine „Staatsaufgabe“ ohne Liberalisierung und internationale Finanzinvestoren überhaupt erst aufzubauen.

Vielleicht ist es Zeit, über neue finanzpolitische Wege nach zu denken. Wege, die dafür sorgen, dass wieder Gestaltungsfreiheit auf kommunaler Ebene entsteht. Wege, die Kommunen mit Hilfe der „Finanzanlage EWE“ wieder Investitionen in die Zukunft ermöglichen – sei es in Gewebeflächen (die Arbeitsplätze und Steuereinnahmen bringen), sei es in einen Hafen wie in Leer (soll auch Wirtschaftskraft bringen), sei es in Bildungsstrukturen (qualifizierte Kinder sichern die Zukunft), sei es in eine moderne Innenstadt/ Fußgängerzone durch ein gutes Stadtmarketing und Innenstadtmanagement (das sichert das Leben in einer Stadt und damit auch Arbeitsplätze), sei es in …. Alles das geht nicht, da die Kommunen – siehe Leer –  ja „arm“ ist und sich wenig bis nichts mehr leisten können.

Neue Wege gehen – vielleicht, aber wie?

Noch einmal kurz zu den Zahlen: Wenn es bei den jährlichen Ausschüttungen der EWE AG bleibt wie 2019, braucht beispielsweise die Stadt Leer über 30 Jahre, um den mathematisch berechneten Gegenwert der Beteiligung ausgeschüttet zu bekommen. Gefühlt unendlich viele Jahre, in denen die Lage im Haushalt und damit in der Stadt, in den Vereinen etc. wohl nicht besser werden dürfte, wenn nicht ein Wunder geschieht.

Was könnten Wege sein? Der Verkauf der Anteile, könnte man denken. Denkbar wäre das – wenn sich ein Käufer findet und geklärt ist, ob ein Verkauf möglich wird. Dazu müsste eine hohe Hürde des „Club der 21“ genommen werden, wie auch die Stadtverwaltung als Antwort auf die an sie gerichteten Fragen darstellt (klicken Sie hier ).

Eine Satzung (aktualisiert zuletzt im April 2017) regelt in § 16: „Das Ausscheiden aus dem Zweckverband durch Kündigung bedarf der Annahme durch die Verbandsversammlung, die hierüber mit einer Mehrheit von drei Vierteln aller Stimmen zu beschließen hat.“ Und weiter: „Ein ausscheidendes Verbandsmitglied hat keinen Anspruch auf das Vermögen oder einen Anteil am Vermögen des Verbandes. Das ausscheidende Verbandsmitglied erhält eine Abfindung, die wie folgt berechnet wird: Grundlage ist der Durchschnitt der dem Verbandsmitglied gemäß § 14 Abs. 4 zugeflossenen Ausschüttungen des Bilanzgewinns oder von Teilen des Bilanzgewinns für die letzten fünf Jahre seiner Mitgliedschaft im Verband. Dieser Durchschnittsbetrag wird über zehn Jahre kapitalisiert. Die Abzinsung erfolgt unter Zugrundelegung der Umlaufrendite für festverzinsliche Anleihen der öffentlichen Hand mit einer Laufzeit von zehn Jahren, die am letzten Tag der Mitgliedschaft des Verbandsmitgliedes gilt.“ Wenn also die Hürde genommen werden würde, würde – wieder beispielhaft die Stadt Leer – nicht die mathematisch berechneten 137 Millionen Euro bekommen, sondern „nur“ etwa 25 Millionen Euro vom „Club der dann 20“ erhalten, wie aus den Antworten der Stadt auf die Fragen zu sehen ist.

Kurzum: Es ist nicht so einfach, über die eigenen Anteile, die der Kommune gehören, zu verfügen. Und nur theoretisch wäre die Kasse einer Kommune dann gut gefüllt, da sich der „Club der 21“ ja andere „Gesetze“ aufgelegt hat.

Keine „Denkverbote“ für neue Wege

Was könnten andere Weg sein? Die Anteile an eine beispielsweise Stadtentwicklungsgesellschaft „durchreichen“, die mit Fachleuten (gerne auch aus den Verwaltungen) ausgestattet wird und sich dann auf dem Geldmarkt mit dem Gegenwert der Finanzbeteiligung (sie ist dann die Absicherung, so wie bei einem Immobilienkauf) Geld besorgt (für 25 Mio. Euro – siehe oben) und dann gezielt in die Entwicklung der Stadt investiert? Geht nach Darstellung der Stadt – siehe dazu die ausführliche Antwort – nicht so einfach. Da funktioniert Kommunalrecht etc. halt anders (warum überhaupt?)

Zudem ist das ja auch schwierig, weil solche städtischen Gesellschaften ja ein Eigenleben entwickeln und wir ja in der POLITIK unterwegs sind. Da könnte es ja passieren, dass die Ratsmitglieder nicht mehr so viel Einfluss nehmen können wie mit ihren Entscheidungen zu Gewerbegebiet an der Autobahn etc.

Zugegeben: Die Fragestellungen sind in juristisch, kommunalpolitisch und noch so manche andere Hinsicht NICHT zu Ende gedacht. Das ist auch keineswegs der Anspruch des Autors. Aber: Wenn die landauf landab „armen“ Kommunen nicht wieder Wege finden, wie sie mit dem nötigen Finanzpolster wieder aktiv Entwicklung der Kommune gestalten können, dann wird es auf Dauer schwierig.

Und es muss die Frage erlaubt sein, ob die EWE in ihrer heutigen Form noch eine Daseins-Berechtigung hat, wie es vor Jahrzehnten der Fall war. Da machte das Konstrukt der Solidargemeinschaft Sinn. Aber auch heute in Zeiten liberalisierter Märkte noch? Und warum muss heute bei dieser Daseinsvorsorge dann ein französischer Finanzinvestor mitverdienen?

Politisch ohne Denkverbote ist über die Sinnhaftigkeit der Kapitalbindung bei der EWE und die Art der Ausgestaltung der „Club der 21“-Satzung beispielsweise bisher in Leer laut Stadtverwaltung nicht diskutiert worden. Und das ist in den anderen beteiligten Kommunen ähnlich. Vielleicht, weil manch warnender Zeitgenosse bei einem Verkauf den Untergang der EWE erwartet, wo doch stattdessen in Windenergie und Wasserstofftechnik investiert werden soll. Da vorwärts zu gehen, könnte Sinn machen (aber muss das dann mit einem renditeorientierten Investor sein?). In Leer zum Beispiel gibt es nicht erschlossene Gewerbeflächen, wo investiert werden könnte 😉

Fest steht: Wirklich arm jedenfalls sind Kommunen, die wie die Stadt Leer an der EWE über den „Club der 21“ beteiligt sind, nur haushalterisch. Den politisch und rechtlich „korrekten“ Rahmen, so wie er jetzt angewendet wird, und der dafür sorgt, dass die Kommunen in ihren Bilanzen ein sattes Minus haben, hat die Politik vom Land abwärts dafür jahrzehntelang selbst so „erarbeitet“. Es waren und sind bewusste Entscheidung der Politik, so zu agieren.

Der „Club der 21“ hat sich zudem durch Satzung entschieden, sein Kapital ausschließlich bei und mit der EWE „arbeiten“ zu lassen. Eine heute noch nachvollziehbar gute und vor allem weiterhin zeitgemäße Entscheidung?

PS: Noch eine Anmerkung zum Thema Daseinsvorsorge, die ja die Struktur der EWE und der Beteiligungen etc. maßgeblich begründen. Nein, jetzt kommt kein Verweis auf die ca. 290 Millionen Euro die durch ein Türkei-Engagement der EWE AG vor einigen Jahren „versenkt“ wurden. Vielmehr geht der Blick auf die zentrale Aufgabe der Daseinsvorsorge in der Region. Das ist aktuell – unbestritten – die Schaffung eines schnellen Glasfaser-Internet-Netzes mit dem Anschluss möglichst aller Haushalte und Unternehmen. Dazu hat beispielsweise der Kreis Leer gerade am Freitag mitgeteilt, dass bis 2023 weitere 84 Millionen Euro investiert werden sollen.

Wer den Anschluss von weiteren 6.000 privaten Adressen und etwa 1.000 Adressen in Industrie- und Gewerbegebieten, die als unterversorgt definiert werden, bezahlt? Im besten Fall rechnet der Kreis laut eigener Darstellung mit 53 Millionen Euro Förderung von Bund und Land. Zehn Millionen Euro werden die Kommunen aus ihren – wie bekannt „klammen“ – Haushalten selbst aufbringen. Kümmern darf sich der Kreis übrigens nur dort, wo – Zitat aus der Info des Kreises – „aus Gründen des Wettbewerbs der freie Markt eine solche Unterversorgung nicht beseitigen würde. Deshalb gibt es das sogenannte Wirtschaftlichkeitslückenmodell: Kommunen unterstützen mithilfe des vom Bund erhaltenen Fördergeldes ein Telekommunikationsunternehmen beim Ausbau der unternehmenseigenen Telekommunikationsinfrastruktur in Gebieten, die ansonsten unrentabel wären.“

Und wer setzt diese Investition um? Na, was meinen Sie? Dazu schreibt der Kreis auf seiner Internetseite: „Gemäß des vorläufigen Standes der europaweiten Ausschreibung soll das Oldenburger Energie- und Telekommunikationsunternehmen EWE Tel die Umsetzung realisieren.“

Und wer wird diese Netze dann wohl betreiben? Wenn es „normal“, sprich wie bisher, läuft, dann wird das die EWE sein.

So schließen sich dann Kreise. Und die Kommunen im Kreis wird der aktuelle Schritt des Netzausbau, der sinnvoll und notwendig ist, ja „nur“ zehn Millionen Euro aus ihren üppig gefüllten Kassen kosten…

Aus Sicht des französischen Finanzinvestors dürfte es schlechtere Konstellationen geben, wenn es darum geht, Rendite zu machen…

Weitere Infos unter: https://www.ewe.de/ und https://www.ewe-verband.de/

Lesen Sie hier die Antworten der Stadt Leer auf die Fragen rund um Haushalt und EWE-Anteile.

 

Kommentar von Heinz-Otto Müller, Leer (28. März 2021):

Kein Grund mehr Erhalt des Zweckverbandes

„Eine sehr gute Aufarbeitung. Nicht nur vor dem Hintergrund der Haushaltslagen, sondern insbesondere vor dem Hintergrund der Energiewende gibt es keinen Grund mehr, heute den Zweckverband aufrecht zu erhalten. Natürlich muss dafür gesorgt werden, dass die zufliessenden Finanzmittel entweder in die Schuldentilgung oder aber in Zukunftsinvestitionen fliessen. Zudem ist, wie das Beispiel Türkei zeigt, das Geld nicht mündelsicher und die Rendite sehr niedrig.  Ein sehr guter Diskussionsbeitrag für die hiesige Politik.“


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    Unterwegs mit Ulf Thiele, CDU-Landtagsabgeordneter

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    Heute führt „Der Sonntagsspaziergang“ durch die Stadt Leer. Ulf Thiele (CDU), seit 2003 für die Region im Niedersächsischen Landtag und viele Jahre Generalsekretär der Partei, spricht bei einem Gang entlang des Hafens deutlich Worte zu Corona („Schwer erträglich, aber wir müssen das gemeinsam weiter durchstehen“) und zur Maskenaffäre, die er „zum Kotzen findet“. Wer in einer solchen Phase in die eigene Tasche wirtschafte, gegen den „habe ich eine abgrundtiefe Abneigung“.

    Auch zur CDU in Leer bezieht er Position. Er kenne nicht viele Verbände, die eine Amtsinhaberin aus der eigenen Partei hintenanstellen wollen. Den Beweggrund, das Beste für die Stadt zu wollen, weil eine politische Blockade im Rat zu durchbrechen ist und dabei selbst politisch Schaden in Kauf zu nehmen, findet er richtig. Weitere Themen sind seine Ministerambitionen in Hannover, sein christlicher Glaube, sein Lebensmotto und ein russisches Sonntagsgericht

    Foto: privat

    Ulf Thiele
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    Aufgeschnappt – 28. März 2021

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    Von Luftfiltern mit Placebo-Effekt

    Aufregung im Leeraner Stadtteil Bingum. Dort wollten Großeltern eines Schulkindes der Grundschule ein Luftfiltergerät für einen Klassenraum spenden. Der Förderverein der Schule wollte das für jeden Klassenraum aufstocken. Aber: Die Stadt Leer hat das kurzerhand untersagt. Jetzt hat die Grundschule einen Corona-Fall in einer Familie eines Kindes – und der Schulleiter und die Klassenlehrerin sind in Quarantäne. Viele Eltern schickten ihren Nachwuchs am Freitag nicht in die Schule, jetzt sind Ferien. Wenn man das so liest, dann kann man den Ärger der Bingumer nachvollziehen. Aber was sagt die Stadt Leer dazu?

    Holger HartwigAufgeschnappt – 28. März 2021
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